Der Ursache auf den Grund gehen
Die junge Landwirtin, Bauerntochter und HFAgrotechnikerin Selina Hug aus Buch ist seit einigen Jahren am Strickhof tätig, der Ausbildungsstätte für angehende Landwirtinnen und Landwirte. Sie ist im Teilzeitpensum im Bereich Tierhaltung und Milchwirtschaft beschäftigt und führt zusätzlich ihre eigene Praxis als selbständige Tierheilpraktikerin.
Schon früh war für Selina Hug klar, dass ihre Zukunft in der Landwirtschaft liegt. Nach ihrer Weiterbildung zur Agrotechnikerin absolvierte sie ein Praktikum als Beraterin, welches ihr bestätigte, dass ihr diese Tätigkeit sehr entspricht. Danach war sie direkt im Milchviehstall des Strickhofs tätig, betreute die Tiere und unterstützte Forschungsprojekte – eine lehrreiche Zeit. Im grossen Stall sammelte sie wertvolle Erfahrungen über die Zusammenhänge in der Tiergesundheit. «Ich merkte allerdings, irgendetwas fehlt mir noch. Ich liebe es, im Stall zu arbeiten, aber ich möchte die Tiere gesundheitlich besser unterstützen können», erzählt Selina Hug. «Ich wollte noch andere Möglichkeiten haben, mit Tieren zu arbeiten.» Deshalb bildete sie sich zur Tierheilpraktikerin aus. Seit August vereint sie beide Berufe.
Von Phytotherapie bis Blutegel
In ihrer Ausbildung lernte sie viele Heilmethoden kennen. Heute gehören die Phytotherapie (Anwendung von Heilpflanzen), Spagyrik (pflanzliche und mineralische Essenzen), SchüsslerSalze (Mineralstoffe), Homöopathie (Heilen nach dem Ähnlichkeitsprinzip), Taping und die Blutegeltherapie zu ihrem Repertoire. «Mit der Schulmedizin wird der Zustand geheilt, aber mit Naturheilverfahren gehe ich der Ursache auf den Grund», erklärt Hug. Dazu gehört eine umfassende Anamnese. Drei Jahre dauerte ihre Ausbildung zur Tierheilpraktikerin. Die Grundlagen der Homöopathie lernte sie jedoch bereits als Kind von ihrer Mutter Agnes. Diese sammelte ihre ersten Erfahrungen mit Homöopathie im eigenen Milchviehstall. Anfangs noch zurückhaltend, erzählte sie ihrem Mann erst von der Methode, als sich erste Behandlungserfolge einstellten. Heute ist Agnes seit über 20 Jahren Mitglied im Arbeitskreis Homöopathie am Strickhof. «Mein Vater war anfangs skeptisch gegenüber der Homöopathie. Als er aber die gesundheitlichen Fortschritte bei den Tieren sah, unterstützte er meine Mutter und wies sie auf den Arbeitskreis hin», erzählt Selina schmunzelnd. Selina hatte daher schon früh Kontakt zur Homöopathie – praktisch seit dem Windelalter. Heute leitet sie den Arbeitskreis am Strickhof.
Individuelle Therapie
Etwas nervös blickt die Kuh um sich. Ganz wohl ist ihr nicht dabei, von der Herde getrennt draussen stehen zu müssen. Ruhig und beruhigend spricht Selina Hug mit ihr, als sie sich dem Tier nähert. Behutsam bereitet sie die sogenannten «Tapes» vor, mit denen sie die Kuh behandeln möchte. Sie sucht die passende Stelle am Körper des Tieres, nimmt ein Pfefferkorn und klebt die Tapes darüber in Form eines X. Doch der Regen macht die Behandlung schwierig – das nasse Fell erschwert das Anbringen der Tapes. «Kühe haben ein sehr fettiges Fell, und dazu kommt heute der Regen. Da muss ich zuerst einen Klebespray verwenden», erklärt die erfahrene Landwirtin. Die eingesetzten Utensilien stammen ursprünglich aus dem Humanbereich. Das Pfefferkorn unter den Tapes wirkt als wärmendes Gewürz stimulierend auf die Stelle. Diese Methode setzt sie gezielt an Akupunkturpunkten ein. Die Tapes können aber auch anders verwendet werde. Durch das Zuschneiden der Tapes in verschiedene Formen, kann die Haut auf Zug oder Entlastung stimuliert werden, so können Muskeln, Sehnen und das Lymphsystem gezielt unterstützt werden.
Schulmedizin und Heiltherapien – eine sinnvolle Ergänzung
Hug betont, dass ihre Heilmethoden die Schulmedizin nicht ersetzen, sondern sinnvoll ergänzen. «Wenn eine Kuh einen Kaiserschnitt braucht, kann ich das nicht ersetzen. Aber ich kann im Anschluss unterstützen, zum Beispiel die Wundheilung durch homöopathische Behandlung fördern und die Narbe mit Taping vor inneren Verklebungen schützen.» Welche Therapie sie einsetzt, hängt von mehreren Faktoren ab: dem Krankheitsbild, aber auch von der Möglichkeit des Besitzers, dem Tier regelmässig etwas zu verabreichen. «Wenn das nicht möglich ist, passe ich die Therapiemethode entsprechend an», erklärt sie. Ein Erstgespräch findet meist telefonisch oder per WhatsApp statt. So kann Hug bereits viele Informationen sammeln und gezielt auf die Probleme eingehen. Skepsis gegenüber der Homöopathie begegnet sie mit Verständnis und Respekt. Etwas ungewohnt, aber sehr effektiv ist die Blutegeltherapie. Gerade bei Schwellungen, Entzündungen oder chronischen Erkrankungen zeigt diese Methode grosse Wirkung. Der Egel beisst sich an der betroffenen Stelle fest und sondert dabei einen schmerzlindernden, blutverdünnenden und entzündungshemmenden Speichel ab. Ein Egel saugt dabei etwa 20 Milliliter Blut – dieser Vorgang dauert rund 45 Minuten. Nach dem Abfallen des Egels kann es zu Nachblutungen kommen. Diese sind jedoch harmlos und tragen zur Reinigung der Wunde bei. «Ein geschwollenes Sprunggelenk der Kuh benötigt bis zu fünf Egel für eine optimale Heilung», ergänzt Hug.
Für Nutztiere und Heimtiere
Durch ihren landwirtschaftlichen Hintergrund hat Hug ein umfassendes Wissen über Nutztiere – insbesondere über Milchkühe, ihr Spezialgebiet. Doch ihre Therapieansätze helfen auch Hunden, Katzen oder anderen Heimtieren. Einen eigenen Praxisraum betreibt sie nicht. Vielmehr besucht sie ihre tierischen Patienten vor Ort. «Das ist wichtig, um das Umfeld genau zu beobachten und das Tier in seiner gewohnten Umgebung einschätzen zu können», erklärt sie. Ihre ruhige und besonnene Art kommt ihr dabei zugute. Stress und Hektik haben in ihrer Arbeit keinen Platz – eine Haltung, die sie bereits von Kindesbeinen an im Umgang mit Tieren lernte. Neben ihrer Tätigkeit als Tierheilpraktikerin arbeitet Hug weiterhin am Strickhof. Dort bringt sie ihr Wissen zunehmend in Kursorganisationen rund um das Thema Tiergesundheit ein.
Die Tierheilpraktikerin für Haustiere und Nutztiere: Tierheilpraxis Selina Hug www.tierheilpraxisselina.ch 076 341 43 17