Pflügen bei der EM 2025 in England
Mit Präzision und Leidenschaft tritt Michael Stamm bei der Europameisterschaft im Wettpflügen an. Die EM findet in diesem Frühling in England statt. Zwei Teilnehmer reisen für die Schweiz dort hin. Einer davon ist Michael Stamm aus Neunkirch.
Am 1. und 2. März 2025 treten im englischen Retford, Nottingham, die besten Pflüger Europas gegeneinander an. Mit dabei ist Michael Stamm, Landwirt vom Waldhof in Neunkirch, der zusammen mit Ueli Hagen, Hüttwilen TG, die Schweiz vertreten wird.
Tradition und Innovation auf dem Waldhof
Gleich unterhalb des Fliegerplatzes Schmerlat liegt der Waldhof, ein Schweinezucht- und Mastbetrieb, der von Michael Stamms Vater geführt wird. Schon beim Betreten des Hofes wird man von der lebhaften Atmosphäre empfangen: Schweine gucken neugierig und quieken fröhlich. «Das sind meine Frauen», sagt Michael Stamm lachend, während er die Tiere liebevoll begrüsst. Der 38-jährige Landwirt erzählt, dass er schon immer wusste, dass er in der Landwirtschaft arbeiten wollte. «Nach der Lehre habe ich lange auf dem Hof gearbeitet, aber irgendwann musste ich weg, um neue Erfahrungen zu sammeln. Das hat mir gutgetan.» Heute setzt der Waldhof auf Nachhaltigkeit und Innovation: Im letzten Jahr wurde eine Photovoltaikanlage installiert, die im Neuen Jahr ans Netz ging, und ein Ersatzbau für die abgebrannte Scheune realisiert. Besonders wichtig ist Stamm, dass er die Schweine mit selbst angebautem Futter mästen kann. «Ich möchte wissen, was unsere Tiere fressen. Ein kleiner Fehler im Futter kann grosse Auswirkungen haben und ist schwer zu korrigieren.» Trotz seiner vollen Agenda – Stamm absolviert nebenbei die Betriebsleiterschule – findet er Zeit für sein ungewöhnliches Hobby: das Wettpflügen.
Die Leidenschaft liegt in der Familie
Das Wettpflügen ist für den Landwirt mehr als nur ein Zeitvertreib. Es ist Familientradition. Bereits sein Vater nahm an Meisterschaften teil und fungierte später als Richter. «1986 hat mein Vater für die Weltmeisterschaft in Kanada sogar das Pflügen mit dem Beetpflug gelernt», sagt Stamm. Auch die Schweizer Meisterschaften fanden schon auf dem Waldhof statt, ein besonderer Moment für die Familie. Sein eigener Einstieg ins Wettpflügen erfolgte 2009. Damals wurden in Gächlingen Nachwuchsfahrer gesucht. «Mein Vater wurde gefragt, ob einer seiner Söhne Lust hätte. Mein jüngerer Bruder Andreas machte mit einem Zweischarenpflug mit. Ich wollte etwas anderes ausprobieren und bin mit dem Dreischarpflug eingestiegen.» Damit gehört Stamm zu einer seltenen Gruppe, denn international gibt es nur wenige Teilnehmer, die mit einem Dreischarenpflug antreten – eine Disziplin, die grössere Flächen erfordert.
Beim Pflügen sind Präzision und Geduld gefragt
Wie funktioniert ein Wettpflügen eigentlich? «Man pflügt in drei Stunden ein Trapez auf einem Feld der Länge 70 bis 100 Meter. Dies quer zur Saatrichtung», erklärt Stamm. Dabei gehe es um Genauigkeit, nicht um Geschwindigkeit. Für die erste Furche hat jeder TeilnehGenauigkeit und Präzision sind bei diesem Hobby gefragt. 20 Minuten Zeit, um das Feld einzumessen, Stöcke als Orientierungslinien zu setzen und die Furche zu fahren. Die Aufgabe erfordert viel Erfahrung: «Die Stöcke müssen je nach Bodenbeschaffenheit im richtigen Abstand stehen, zum Beispiel 35 oder 45 Zentimeter neben der Linie. Danach werden drei weitere Fahrten gefahren, bevor die Furche vom Nachbarn übernommen wird. Während des Pflügens überprüfe ich regelmässig, ob alles passt.» Am Schluss muss der Fahrer einen Keil, sowie an seine erste Furche heran pflügen. Ein kleiner Fehler, etwa ein falsch gedrückter Hebel, kann das gesamte Ergebnis ruinieren. Dazu ist es eine Lotterie, wie der Nachbar seine Furche gefahren ist. «Man darf am Ende nur eine Traktorspur mit Pflug- und Stützradspuren sehen. Einen Fehler dazwischen sieht man bis zum Schluss.» Trotz der hohen Anforderungen beschreibt Stamm die Wettpflügerszene als familiär: «Man kennt sich, unterstützt sich gegenseitig und trifft sich auch international immer wieder.»
Herausforderungen und Ziele
Die Teilnahme an internationalen Wettkämpfen ist jedoch kein leichtes Unterfangen. Die Wettbewerbe erfordern Vorbereitung und Zeit, die im Alltag eines Landwirts oft knapp ist. «Ich sollte schon lange mein Gespann vermessen und trainieren, aber auf dem Hof ist immer etwas zu tun.» Daher plant Stamm, vor der Europameisterschaft in England spezielle Trainingsparzellen zu nutzen. «Dort kann ich üben, was zuhause eher zu kurz kommt.» Seine Ziele für die EM hält Stamm bescheiden: «Es geht mir nicht um Titel. Ich freue mich, Freunde zu treffen und Erfahrungen zu sammeln. Ein Platz im Mittelfeld oder noch weiter vorne wäre natürlich schön.» Wettpflügen ist ein Nischensport, der jedoch viel Können und Leidenschaft erfordert. Wie sieht es mit dem Nachwuchs aus? Stamm ist optimistisch: «In Zürich hat man die Anforderungen für Plauschturniere an die Wettkampfbedingungen angepasst. So sollen mehr junge Leute den Einstieg finden.» Gleichzeitig betont er, dass es viel Engagement braucht, um auf internationalem Niveau mitfahren zu können.
Die Europameisterschaft 2025
Am 1. und 2. März 2025 wird Michael Stamm in Retford sein Bestes geben. Und eines ist sicher, die Europameisterschaft 2026 wird in der Schweiz in Hallau/Wunderklingen stattfinden. Für Stamm bleibt das Wettpflügen eine Leidenschaft, die ihn nicht nur technisch fordert, sondern auch mit anderen Landwirten verbindet.
Fakten zum Wettpflügen
Was ist Wettpflügen? Ein Wettbewerb, bei dem es darum geht, ein Feld präzise zu pflügen. Bewertet werden Kriterien wie Geradlinigkeit, Unterbringung von Bewuchs, Tiefe und Gleichmässigkeit der Furchen.
Welche Kategorien gibt es? Man unterscheidet an nationalen Wettkämpfen die Kategorien «Trapezpflüger» und «Plauschpflüger» und an internationalen Wettkämpfen die Kategorien «Wendepflug» und «Beetpflug».
Wie wird man Teilnehmer? Für internationale Wettbewerbe qualifizieren sich die Besten der Schweizer Meisterschaften. Manchmal rückt man auch nach, wenn ein Platz frei wird.
Was macht Wettpflügen so besonders? Es verbindet technische Präzision mit Tradition und bietet eine Plattform für den Austausch zwischen Landwirten aus aller Welt.
Mehr Informationen zum Wettpflügen unter www.wettpfluegen.ch.